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Scheiternhaufen
24 Jan - 21 Mar 2009

Angelika J. Trojnarski
,,Weißer Elefant"

Eines der Gemälde, das in dieser Ausstellung neuer Werke Angelika J. Trojnarskis gezeigt wird und ebenso als Motiv für die Einladungskarte gewählt wurde, trägt den Titel ,,Weißer Elefant". Das 180 x 140 große in Öl auf Leinwand gemalte Bild zeigt in Andeutung Teile oder Überreste eines Schiffes: dessen Rumpf und weitere Aufbauten, die von einer Fahne bekrönt sind und der Faktur des Gemäldes nur noch in skeletthafter Form heraustreten. Diese Trümmer eines Schiffes sind ihrerseits von vertikal und diagonal verlaufenden Pfählen gehalten, die durch ihre unsystematische ja geradezu chaotische Anordnung wenig Festigkeit demonstrieren. Das gesamte Gebilde des gestrandeten Schiffes samt den es an Land nur unzureichend stützenden Pfählen zeugt von einem unentrinnbaren Prozess des Verfalls und Niedergangs.
Welche Bedeutung hat der Titel ,,Weißer Elefant" in Bezug auf das im Gemälde Sichtbare, da hier augenscheinlich nichts zu sehen ist, das unmittelbar an einen Elefanten zumal einen weißen erinnert?
Weiße Elefanten spielen in der Geschichte Thailands eine besondere Rolle. Diese sind dort bis heute heilige Tiere und ein Symbol von Macht. Alle weißen Elefanten müssen (seit 1921 sogar gesetzlich verordnet) dem König gezeigt werden. Ob ein Elefant als weißer Elefant gilt, darüber entscheiden vier Kategorien. Dem König obliegt es, die Tiere zu verschenken, die nur den unteren Kategorien entsprechen. Da die Elefanten heilig sind, nicht zur Arbeit herangezogen werden dürfen und sehr viel Pflege benötigen, stellen sie eine hohe finanzielle Last für ihre Besitzer dar. Nur der König und sehr vermögende Untertanen konnten sich vor allem in früheren Zeiten erlauben, diese Tiere zu halten. Einer Geschichte zufolge wurden früher auch weiße Elefanten an Feinde des Königs verschenkt. Da diese den Tieren eine große Sorgfalt zukommen lassen mussten, erlitten die Empfänger schwere finanzielle Einbußen oder sogar finanziellen Ruin. Hierauf spielt die im englischen Sprachraum existente Redewendung des ,,white elephant" an, die einen wertvollen Besitz, der keinen Nutzen bringt, etwas, das mehr Arbeit verursacht als es Wert ist, einen lästigen und/oder nutzlosen Besitz charakterisiert. Das Idiom des ,,Weißen Elefanten" existiert darüber hinaus in der Entwicklungspolitik. Hier werden Objekte ,,Weiße Elefanten" genannt, die viel kosten, soziale und ökologische Schäden anrichten und geringen Nutzen bringen (beispielsweise umstrittene Staudammprojekte). Zudem wird der Begriff auf Großprojekte und teure technische Entwicklungen angewendet, die die in sie gesetzten Ansprüche und Zukunftshoffnungen nicht erfüllen.
Nicht nur das exemplarisch gewählte Gemälde ,,Weißer Elefant", sondern auch alle anderen in dieser Ausstellung zu sehenden Bilder Angelika J. Trojnarskis thematisieren durch die Motive gestrandeter, zerborstener, unbrauchbarer, im Zerfall befindlicher Objekte das Scheitern des Menschen in sinnbildhafter Weise. Trotz seiner technischen Prothesen kann der Verfall des einzelnen Menschen nicht gestoppt werden. Und was für den einen Fortschritt bedeutet, kann für den anderen zur tödlichen Gefahr werden. Der Kunsthistoriker Thomas W. Kuhn wies mit großem Recht darauf hin, dass sich die Bilder Angelika J. Trojnarskis auf die Tradition des memento mori (des Eingedenkens der eigenen Sterblichkeit) und der Vanitas-Thematik (der Darstellung des Vergänglichen) beziehen.
Was erzeugt aber, dass man sich als Betrachter nicht sofort von den zerstörten Objekten, die schrecklich und teilweise auch hässlich sind, abwendet? Was ist es, das im Gegenteil einen Sog produziert, der den Betrachter immer wieder und lange auf die Bilder blicken lässt? Dieses Etwas scheint mir das zu sein, was der französische Philosoph, Kunsttheoretiker und Autor Denis Diderot in der Mitte des 18. Jahrhunderts erstmals in der Geschichte der Kunst anhand des Gemäldes ,,Der Rochen" von Jean-Baptiste Siméon Chardin beschrieben hat: Es sei die ,,Peinture", die besondere Malweise, die malerische Fertigkeit Chardins, die dazu führe, dass der hässliche und grässliche Gegenstand des Rochen auf eine unerklärliche, ja geradezu magische Weise schön und betrachtenswert werde: Die ,,Peinture" Chardins bewirke, dass dieses Objekt in das Gewebe der Malerei so eingesponnen sei, dass der Betrachter nicht mehr angewidert davor zurückschrecke, sondern fasziniert hinschaue.
Eine derartige Qualität besitzen auf ihre individuelle Weise auch die Gemälde Angelika J. Trojnarskis. Die ungemein souverän dargebotene Malweise, der vielfältige Umgang mit der Materialität der Farbe, die erzeugten Farbklänge oder -Stimmungen bewirkt in den Bildern der Düsseldorfer Malerin das Zustandekommen eines farbigen Gewebes, in das die Gegenstände derart eingesponnen sind, dass der Betrachter dank der Malerei nicht Reis-Aus nimmt, sondern sich den Motiven immer wieder aussetzt.
Diesen Aspekt der Gemälde zu betonen, erscheint mir äußerst wichtig, doch darf in diesem Zusammenhang nicht außer Acht gelassen werden, dass die Oberfläche der Bilder Trojnarskis gleichzeitig mit der Freilegung der prozessualen Erzeugung 'Risse' und 'Wunden' zeigen, die durch die kraftvolle Malweise und dem verschiedenartigen Einwirken auf die Materialität der Farbe zustande kommen. Hierdurch arbeitet die Künstlerin dem Charakter ihrer Gegenstände malerisch zu, was nicht zuletzt ganz wesentlich dazu beträgt, dass die Gemälde zu in sich abgeschlossenen, vollendeten Werken werden.

Guido Reuter (Düsseldorf)
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