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Garden of Error and Decay
7 Aug - 24 Aug 2013
Garden of Error and Decay

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www.gardenoferroranddecay.net
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Der Garten der Fehler und des Zerfalls.
 
            Der Garten der Fehler und des Zerfalls ist eine endlose visuelle Erzählung, die durch Twitterdaten, Börsendaten und den Internet-Benutzer beinflusst wird. Sequenzen von animierten Pictogram-Sequenzen, im Internet dargestellt, können sowohl im musealen als auch im öffentlichen Raum als eine Panorama-Projektion präsentiert werden.
          Die colageartigen Szenen zeigen Ereignisse, wie zum Beispiel Naturkatastrophen, Terrorismus, ökologische Katastrophen, Kriege, finanzielle Krisen, Flugzeugunglücke, soziale Unruhen, Armut usw. Mit Hilfe eines Joysticks haben die Benutzer die Gelegenheit, die unterschiedlichen Ereignisse entweder zu eliminieren oder sie zu vermehren, indem sie die einzelne Szenen abschiessen. Beim Eliminieren der Ereignisse sind die Benutzer "Retter der Welt", beim Vermehren der Ereignisse sind sie "Mittäter des Bösen". Was die Benutzer nicht wissen, ist die Tatsache, dass die Vermehrung oder Eliminierung dieser Ereignisse in Wahrheit davon abhängt, ob die Börse gerade steigt oder ob sie fällt.  Die Besucher haben die Illusion, Kontrolle über das Geschehen in diesem “Spiel” zu haben. Bei ihrem Handeln sind sie aber genauso machtlos wie im wirklichen Leben. Das Konzept des Computerspiels wird hier aussließlich als eine Metapher benutzt.
            Das innovative Erzählformat dieser Arbeit könnte man etwa als datengesteuerte, computerergenerierte Erzählung bezeichnen, oder auch als echtzeitgenerierter, interaktiver Film.
            Der Garten der Fehler und des Zerfalls thematisiert unsere neue vernetzte Realität des 21. Jahrhunderts, die anscheinend mehr Einfluss auf unseres Dasein hat, als manche vom Menschen oder von der Natur erzeugte Katastrophen.
            Es ist kein Zufall, dass einige Betrachter der Arbeit eine gewisse Analogie zu dem berühmten Tryptichon “Der Garten der Lüste” von Hieronymus Bosch erkennen.
Das Projekt problematisiert das Verhältnis zwischen individuellen und globalen Ereignissen. Der Garten der Fehler und des Zerfalls steht hier als eine Metapher für die Machtlosigkeit der Bürger, die mit übergeordneten Ereignissen konfrontiert werden, die so eine Dimension bekommen haben, dass sie weder nachvollziehbar, noch veränderbar sind, obwohl sie auf das individuelle Leben von jedermann direkt einwirken.

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Aus : Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 6. Februar 2011, Nr. 5 von Niklas Maak


Im Stahlgetwitter

Der Künstler Michael Bielicky präsentiert seinen ,,Garten der Fehler und des Zerfalls"

BERLIN
Für einen Moment dachte man, da machen sie jetzt schon wieder eine Malereiausstellung, da haben sie ein Wandgemälde in der tschechischen Botschaft mit Scheinwerfern angestrahlt - aber dann sah man schon von draußen, dass das hier etwas ganz anderes war: kein Gemälde sondern eine Filmprojektion, eine Prozession von gezeichneten Figuren, die langsam, wie in einem trägen Fluss über die Wand trieben. Manchmal nahm jemand eine Art Joystick in die Hand, wie bei einem Videospiel zielte er auf die vorbeitreibenden Figuren, dann gab es einen unterhaltsamen Knall, die Leute freuten sich, und die Figuren auf' der Wand schwollen zu doppelter Größe an.
Was bedeutete all das? Das, was man dort an die Wand projiziert hatte, war eine interaktive Arbeit des in Prag geborenen Künstlers Michael Bielicky, der Meisterschüler von Nam June Paik war und seit 5 Jahren Professor für Medienkunst in Karlsruhe ist; sie heißt „Garden of Error and Decay“ und entsprach so, wie sie da an der Wand leuchtete, ziemlich genau dem, was Diego Riveras politische Wandmalereien, die sogenannten Murales, fiir die zwanziger Jahre waren: großformatige Wimmelbilder, die über das aufklären wollen, was die eigene Zeit bestimmt. So etwas findet heute nur noch selten in Ölgemälden statt, allein schon, weil die entscheidende Bildproduktion größtenteils in Medien und Internet abgewandert ist. Dort kann man auch den ,,Garten' anschauen (www.gardenoferroranddecay.net), und das Erste, was dieser Website, die man im Rahmen des Prag-Berlin-Festivals für einen Abend zu interaktiven Murales vergrößert hat, auffallt, ist die sanfte Schönheit der Illustrationen: Mit seinen Farben und dem stilisierten hellblauen Mount Fuji im Hintergrund könnte der ,,Garten“ auch ein idyllisches Kinderbuch sein. Aber wie bei Henry Darger sieht man in diesem Idyll bald nur noch Piktogramme des Schreckens: Autos mit rauchenden Auspuffrohren und Terroristen und Ölkannen und
Brände und Atomexplosionen, pulsierende, mutierende Icons für alle Probleme der Welt, die sich ständig verändern. Optisch sieht all das sehr schön aus - so, als hätte ein japanischer Grafiker Paul Chans A ,,Happiness after 35ooo years of civilization" mit Boschs ,,Garten der Lüste“ und ein paar Kriegsfilmen abgemischt; inhaltlich will das Projekt eine neue Erzählform begründen: das ,,Data-Driven Narrative".
In die Arbeit werden in sogenannter Echtzeit Twitter-Feeds und Börsendaten eingespeist, die das vorbeiziehende
Weltenpanorama aus animierten Piktogrammen nach ausgeklügelten Algorithmen verändern während die eigenen Befehle, die man im Glauben daran gibt, dass man dadurch die virtuelle Welt wie bei einem Videospiel beeinflussen kann, völlig folgenlos bleiben. Als politische Botschaft wäre das - die Welt wird von vernetzten
Machtsystemen und Naturgewalten gesteuert, dir wird nur vorgegaukelt, dass du Gestaltungsmöglichkeiten hättest - ein bisschen sehr Diego-Rivera-haft simpel und misanthropisch. Als Versuch, unsichtbaren globalen Bewegungen im Netz ein Bild zu geben, ist es umso spannender: Was man hier sieht, ist der Anfang einer
Kunst, die im Internet sichtbar machen will, was dort, ohne Bilder zu hinterlassen, bestimmt, wie die Dinge hier und anderswo aussehen.

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