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Frühlings Erwachen
4 Feb - 19 Mar 2011
Frühlings Erwachen

Frühlings Erwachen
Leise rieseln vereinzelte Schneeflocken auf eine nahezu menschenleere Strasse und tauchen die unwirklich erscheinende Szenerie in eine melancholisch-sehnsuchtsvolle Stimmung. Inmitten urbaner Einsamkeit bei Nacht, verharrt ein Radfahrer vor dem übergroßen Filmplakat, das ein in Zärtlichkeit versunkenes Paar zeigt. Mit geschlossenen Augen geben beide sich einem nie enden wollenden Kuss hin. Das für Liebende überaus charakteristische, hermetische Universum verdeutlicht umso stärker Alleinsein und Isolation des Betrachters, dessen Blick in gekonnter kompositorischer Anordnung mit dem der Ausstellungsbesucher verschmilzt. Vor dem ,,Kinopalast" (2010) vereinen sich so die intimen Fantasien romantischer Momente mit voyeuristischen Tendenzen - Ambivalenzen, die der Düsseldorfer Künstler Lenz Geerk (*1988, Basel) durch seine Maltechnik verstärkt, die beiläufig dem ,,inneren Blick" der frühen Expressionisten ihre Reverenz erweist. Stark konturierten Flächen - jedes malerische Segment voneinander separiert - stellt er eine Unschärfe der Bildelemente gegenüber, die seinen Werken eine träumerische Patina verleiht. Geerks signifikante Handschrift zeigt sich in gewundenem Pinselduktus und unter Verwendung gebrochener, leicht verwaschener Farben. Die kleinformatigen Arbeiten suggerieren Ruhe und Kontemplation und lassen gleichermaßen die Lesbarkeit der Motive seiner Figuren offen. So harmoniert auch der Ausstellungstitel ,,Frühlings Erwachen" auf mystische Weise mit der bildnerischen Atmosphäre und vielschichtigen Lesart. Innerlich verflochten mit Frank Wedekinds gleichnamigem Drama, überträgt der Anzinger-Schüler die Wünsche, Sehnsüchte, Sorgen und schließlich die Banalität des Alltags von jungen Erwachsenen ins Bildnerische. Wedekinds literarische Gesellschaftskritik, 1891 verfasst, rückt das bis dato wenig beachtete (Seelen)leben von ,,Teenagern" in den Mittelpunkt. Seine Protagonisten durchleben sämtliche Spielarten der Sexualität, die von harmloser Masturbation über homoerotische Erfahrungen oder sadomasochistische Gefühle bis hin zur ungewollten Schwangerschaft reichen. Tatsächlich im Fokus dieser vermeintlich spektakulären Themen steht jedoch das völlige Tabu der damaligen Zeit. Sprachlosigkeit und Scham von Seiten der Eltern und Erwachsenen lassen die junge Generation im Unklaren über biologische Vorgänge und deren Folgen, sie negiert aufkeimende Gefühle von Romantik oder Begierde genauso wie Leistungsdruck und die Erfüllung von unausgesprochenen Erwartungen. Wedekind öffnet die innere Welt der Kinder und konfrontiert seine Leser mit den Folgen einer falsch interpretierten Moral und entlarvt die Bigotterie einer gnadenlos auf Hörigkeit ausgerichteten gesellschaftlichen Konvention. Lenz Geerk adaptiert die Sehnsüchte der ihm nahe stehenden jungen Generation und die Vieldeutigkeit der literarischen Motive, deren dramatische Momente satirisch gebrochen werden - es sei an dieser Stelle der Hinweis auf die altertümliche Bedeutung des Künstlernamens erlaubt. Malerisch verwebt Geerk einschneidende Momente seiner Protagonisten, die durch die gleichwertige Behandlung auf der Leinwand in ihrer Dramatik gezügelt scheinen. Die Bedeutung des Augenblicks löst sich in der Schönheit von Farbe und Form auf. Damit enthebt der Künstler die Figur der Isolation und fixiert jeden Moment in einem einzigartigen Erlebnis, in einem Zustand zwischen Banalität und subjektiver Überwältigung.
Nadia Ismail
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